Pleasure by Jovana Reisinger
Autor:Jovana Reisinger [Jovana Reisinger]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783843732734
Herausgeber: Ullstein eBooks
veröffentlicht: 2024-10-17T00:00:00+00:00
Essiggurke
Die Soziologin Eva Illouz analysiert in Der Konsum der Romantik, wie innig Konsumkultur und die Vorstellungen von romantischer Liebe miteinander verwoben sind. Liebe geht nicht nur durch den Magen, sondern wandert auch durchs Portemonnaie. Glücklicherweise ist die Gurke, mein neu gewonnenes Liebessymbol, recht preisgünstig und nahezu überall zu erwerben.
Illouz:
»Eine häufige Möglichkeit, einen romantischen Augenblick zu signalisieren, ist, Objekte einzubeziehen, die sich von den Objekten für alltägliche Zwecke unterscheiden, also rituelle Objekte, die wertvoller oder schöner sind als gewöhnliche. Geschenke sind ein ganz offensichtliches Beispiel, aber auch elegante Kleidung und teure Speisen werden mit romantischer Liebe assoziiert.«30
Als der Crush mir die eine Hälfte der Gurke auf den Teller legte, erkannte ich ein Zeichen, dessen Grundstein schon lange vorher gelegt worden war. Es hatte so kommen müssen.
Die Erstbegegnung mit der Gurke ereignete sich ein paar Wochen vorher. Ich lag, wie so häufig, zum Arbeiten in meinem Bett. Um mich herum vier, fünf, sechs Bücher von McKenzie Wark. Der Essay, den ich über meine Verehrung für sie schreiben soll, will mir nicht gelingen, ich fühle mich ihr nicht gewachsen. Seit Wochen plage ich mich damit. Beginne ständig aufs Neue, breche ab. Alle Bücher sind aufgeschlagen, überall Notizen, Hinweise, Ideen, und doch sehe ich keine Verbindungen. Ich vermute, dass es bei der Anbetung einer Schriftstellerin immer auch darum geht, sich selbst in ihren Texten zu erkennen.
Immer wieder greife ich nach Reverse Cowgirl, der autofiktionalen Erzählung über die Transition Warks. Ich will eine Verbindung herstellen zwischen uns, will es so sehr, scheitere. Ich bin genervt, google halbherzig die besten Tipps gegen Blockaden, esse Chips mit Salz und Pfeffer und starte wieder einmal irgendeine Serie für das Hintergrundgeplapper. Der Lover schickt eine Nachricht: »Darling, ich habe über dich nachgedacht. Es gibt zwei Sorten Künstler. Die einen, die sehr lange an etwas arbeiten, und die anderen, die ständig irgendwas veröffentlichen. Du bist Letzteres.« Ich antworte: »Es gibt noch eine Sorte: Die, die nichts arbeiten, aber ständig behaupten, es zu tun.«
Eigentlich fängt die Gurken-Geschichte noch früher an. Nathalie postet ein Foto bei Instagram, auf dem sie in eine riesige Essiggurke beiÃt. Auf ihrem Shirt steht Pickle Bitch. Daraufhin bestelle ich mir sofort zwei T-Shirts mit verschiedenen Essiggurkenabbildungen, Pickles steht groà in Gurkengrün darüber. Eins davon schenke ich Sapir. Wochen später tragen wir es zufällig beide am selben Abend und lieben den Partnerinnenlook. Beim Abendessen bestellen wir deshalb eine Portion Essiggurken, so als Scherz. Sie sind köstlich. Wir lieben Essiggurken. Das T-Shirt hat schon seine Berechtigung. Wir müssen gar nicht so ironisch tun. Essiggurken sind geil.
Dann kommt alles zusammen: Ich liege also im Bett zwischen den Wark-Werken und verharre in einer enormen Unzufriedenheit, einer Lethargie, dem Gefühl des Scheiterns, der Frage nach der Sinnhaftigkeit meiner Texte im Allgemeinen. Wie viele Tage habe ich noch? Drei. Es wird sich ausgehen.
Eileen Myles beschreibt in Zur Zeit das Leben einer schreibenden Person als ein Schwimmbecken voller Zeit: »Es braucht dermaÃen viel Zeit, um Schriftstellerin zu werden, und man muss in der Lage sein, in der Zeit zu schwimmen (â¦).«31 Und weiter: »Ich halte Literatur für Zeitverschwendung, ich glaube nicht, dass irgendwas Gutes daran ist.
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